Traumatisierte Eltern – eine zusätzliche Belastung für die Kinder 

Die Früh- oder Risikogeburt eines Kindes zerschlägt die „gute Hoffnung“ der Eltern, sowohl wenn sie wie aus heiterem Himmel über die Familie hereinbricht als auch wenn sie Schwangerschaftskomplikationen und einem Kampf um den Fortbestand der Schwangerschaft folgt. So oder so ist die Früh-/ Risikogeburt, das, was ihr vorausgeht, und das, was ihr folgt, für die meisten Eltern ein Schock. … Es kommt so ganz anders, als man es sich gedacht hat: Statt der Freude über ein gesundes Kind durchleben die Eltern Angst um sein Überleben, seine Gesundheit und seine weitere Entwicklung. …

Michael T. Hynan, Vater eines frühgeborenen Kindes und Professor der Psychologie, schildert seine privaten wie professionellen Erfahrungen wie folgt:

“Bei einer Hochrisiko-Geburt sind die verrückten, verworrenen Gefühle von Eltern eine natürliche und normale Reaktion auf unglaublichen Stress.“
Hynan setzt die traumatische Intensität des Erlebens mit der von Soldaten in einem Krieg gleich:
„Wenn Sie in das Schlachtfeld um Leben und Tod auf einer Neugeborenen-Intensivstation geraten, werden Sie desorganisiert und verstört sein – manche von uns für Jahre.“
(Hynan, M.T.(1991): The Emotional Reactions of Parents to their Premature Baby, Pre- and Perinatal Psychology Journal, 6:85-95)

Die Früh-/Risikogeburt ihres Kindes löst bei vielen Eltern eine Krisenreaktion aus und kann traumatisierend wirken. … So weisen bei Klinikentlassung ihres Kindes mehr als die Hälfte der Mütter traumatische Symptome auf, ein Jahr nach der Geburt 38% und mehr als zwei Jahre nach der Geburt noch 14%.
(aus: Jotzo, Martina: Eltern in der Neonatologie, Das Trauma Intensivbehandlung,
in: Neue Wege gehen, Dokumentation einer interdisziplinären Fachtagung zur entwicklungsfördernden Betreuung in der Neonatologie,
hg.v. Bundesverband „Das frühgeborene Kind“, Frankfurt/M. 2005, S.58-67)

Die Folgen

  • Die Eltern sind eventuell nicht in der Lage, die weitere, vielleicht schwierige Entwicklung des Kindes mit ganzer Kraft zu unterstützen.
  • Angst, Unsicherheit oder Enttäuschung der Eltern können sich auf das Kind übertragen und es in seiner Entwicklung hemmen.
  • Gedeih- und Regulationsstörungen („Schreikinder“) treten häufiger oder in schwererer Ausprägung auf.
  • Eltern, denen „das alles zuviel wird“, stehen in größerer Gefahr, ihr Kind zu misshandeln.
  • Geschwisterkinder fühlen sich durch die verstärkte Sorge um das Frühgeborene besonders zurückgesetzt und brauchen mehr denn je psychisch stabile und belastbare Eltern.
  • Nicht wenige Paarbeziehungen zerbrechen, wenn ein Kind nicht gesund geboren wurde oder sogar verstarb.

Der Austausch in einer Elterngruppe kann wesentlich zur Verarbeitung des Erlebten und damit zur Entlastung des familiären Alltags beitragen.

Ebenso nötig ist jedoch eine psychosoziale Begleitung der Familien, und zwar nicht nur in der Klinikzeit und während des Übergangs nach Hause sondern auch darüber hinaus, damit Eltern mit den Sorgen und Ängsten um die Entwicklung ihres frühgeborenen Kindes nicht alleine stehen müssen

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